Der ewige Weltuntergang

9 05 2012

An nichts empfindet der heutige Mensch so viel Freude, Lust und Gier wie am Weltuntergang. Nichts kann furchtbar genug sein um die verloren gegangenen christlichen Höllenqualen angemessen zu ersetzen.

Auch wenn kaum etwas von den Endzeitszenarien jemals eingetreten ist- wie zum Beispiel das Waldsterben oder die in den siebziger Jahren prognostizierte neue Eiszeit – tut es dem Glauben keinen Abbruch. Die „Church of Horror“ ist immer vollbesetzt .

Zu den beliebtesten Gruselpredigern zählt der Club of Rome. Er hat schon vor 40 Jahren die phantastischsten Alpträume an den Himmel gemalt, denen sich die Menschheit gegenüber sehen wird – und wahrscheinlich an politischen Fehlentscheidungen schuldig wurde, deren Ausmaß die Billionen weit überschreitet. Natürlich war alles Käse, aber was soll es. Nach 40 Jahren sind die Storys vergessen und man kann nachlegen, als wenn nichts gewesen wäre. Und nun wird wieder ein Szenario entworfen – und natürlich von den dankbaren Medien auch breitgetreten – dass fernab von allen wissenschaftlichen Grundlagen das Glaubensbedürfnis der Kirchengemeinde bedient.

Der besondere Trick der Prediger liegt auch darin, dass man einen Zeitraum für das Eintreten des Grauens wählt, der soweit in der Ferne liegt, dass man mit den Folgen der Vorhersagen nie mehr in Verbindung gebracht werden kann. Wer erinnert sich denn noch an die erste Räuberpistole des Club of fiction?  Und der jetzige Bericht wird auch vergessen sein, sobald das nächste Ei mit erhöhten Dioxinwerten gefunden wird.

„Nachhaltig“ möchte die gläubige Schar alles und jedes machen – die Welt soll dank unseres sorgsamen Umganges mit den Ressourcen völlig intakt den Enkeln übergeben werden. Nur bei einem der wichtigsten Themen möchte man an diese Nachhaltigkeit nicht erinnert werden:

Wir geben schon unseren Kindern einen Schuldenberg weiter, der niemals wieder abgezahlt werden kann. Diese gruseligste aller Gruselgeschichten kann merkwürdigerweise keinen der Gutmenschen schaudern lassen. Dieses so naheliegende Problem macht keine Angst, was in 100 Jahren passieren könnte, macht hingegen beständig „betroffen“. Da treffen sich Dummheit, Selbstsucht und Scheinheiligkeit.

Eines ist sicher: die Karawane des Grauens wird weiterziehen. Ob Fata Morgana oder reale Bedrohung? Wen interessiert`s?

 

 





Der Hartz-IV-Irrtum

4 05 2012

Nirgendwo wird so beständig Mitgefühl mit Sentimentalität verwechselt wie in der Sozialpolitik. Bislang ging das gut. Weil Deutschland ein reiches Land ist.

Jan Fleischhauer hat sich auf SPIEGEL-Online Gedanken gemacht zu der absurden Haltung der Deutschen zu Hartz-IV und der Frage, wie lange wir noch die Augen schließen können. Die ganze Kolumne hier …

„Deutschland ist ein reiches Land, deshalb konnte es sich bislang die Pazifizierung seiner Unterschicht durch Geldtransfers leisten. Rund 50 Milliarden geben Bund und Kommunen im Jahr für Hartz-IV aus, wobei nur die Hälfte an die Empfänger als Geldleistung fließt. Die andere Hälfte geht in die diversen Umschulungs- und Bildungsmaßnahmen, denen sich jeder Hartz-IV-Empfänger von Zeit zu Zeit unterziehen muss, um seine Ansprüche zu wahren. Wer die Mechanismen des deutschen Sozialstaats kennt, sieht sofort, dass hier viele Interessen im Spiel sind.

Zum Glück gibt es immer noch genug Menschen, die lieber arbeiten gehen, als Zuhause ihre Tage zu vertrödeln, auch wenn sie davon finanziell nicht wirklich etwas haben. Wer heute als Vorstand einer vierköpfigen Familie an der Ladenkasse steht oder Umzugskisten schleppt, könnte morgen den Job quittieren, ohne dass er schlechter da stände. Auf 1800 Euro belaufen sich derzeit die Zuwendungen für einen Hartz-IV-Haushalt mit zwei Kindern – sind mehr als zwei Kinder im Haus, sind es noch einmal deutlich mehr.

Die Realitäten des vereinten Europas könnten allerdings dazu führen, dass diese Form der Sozialpolitik schon bald an ihre Grenzen stößt. Was hierzulande als Leben unterhalb der Armutsgrenze gilt, ist in anderen Teilen ein Stück vom Paradies. Im SPIEGEL stand neulich ein ausgezeichneter Report über die Zuwanderung aus den Armenhäusern in Rumänien und Bulgarien, die erst seit ein paar Jahren ebenfalls EU-Mitglieder sind. Die wenigsten machen sich eine Vorstellung, welche Dynamik hier in Gang gesetzt wurde.
Wer darauf hofft, dass man den neuen Mitbürgern die Leistungen streichen könnte, hat die Rechnung ohne den Europäischen Gerichtshof gemacht. Dieser Diskriminierung haben die Richter vorsorglich den Riegel vorgeschoben: Der Sozialsatz in Deutschland ist für alle gleich, egal ob sie aus Neukölln kommen oder einem Armendorf in der Nähe von Bukarest.“

Armut ist unteilbar, das gilt auch für Hartz IV.